Digital Wirtschaft

3D-Drucker: Behauptungen und Entwicklungsstatus

In den letzten Jahren wurde in den Medien und von Herstellern immer wieder hervorgehoben und propagiert, dass 3D-Druckern die Zukunft gehört. In den Jahren 2012 bis Ende 2014 war der Hype extrem hoch, es wurden immer abenteuerlichere Behauptungen aufgestellt. Doch wo stehen wir heute mit dieser Technologie?

Der Hype hat sich glücklicherweise gelegt, wir können nun realistisch mit der Technologie umgehen.

Zuerst muss man aber erkennen, dass unter 3D-Druck viele und stark unterschiedliche Technologien zusammengefasst werden. Ich würde diese nach deren Anwendungsbereiche in drei grosse Gruppen aufteilen:

bullet3D-Drucker für den Hobbygebrauch und Prototypen-Herstellung kleinerer Firmen, Designer und Architekten. Diese Geräte kosten zwischen 250.- und 4000.- Fr. und können in den allermeisten Fällen lediglich einen Kunststoff schmelzen und in Schichten ein Teil erstellen, was je nach Grösse des Teils und gewünschter Endqualität zwischen 10 Minuten und mehreren Tagen dauern kann.
 
bulletProfessionelle 3D-Drucker für die Prototypen-Herstellung und für Kleinserien. Diese Drucker arbeiten hauptsächlich mit anderen, wesentlich aufwändigeren Verfahren und können beispielsweise Metallteile durch Lasersintern erstellen. Solche Geräte kosten typischerweise mehr als 50‘000.- Fr bis zu mehreren Millionen.
 
bullet3D Drucker für Spezialanwendungen. Diese werden für ein ganz bestimmtes Projekt oder Anwendung konstruiert und hergestellt, wobei sehr viele dieser Projekte noch im Experimentier- und Entwicklungsstadium sind. Beispiele sind Drucker um ganze Häuser zu drucken, oder Drucker im Medizinalbereich, um menschliche Zellen und Organe zu drucken.

Leider wurde in den Medien zwischen diesen völlig unterschiedlichen Bereichen nicht unterschieden. Und wie auch? Wenn selbst die Hersteller völlig überrissene Behauptungen aufstellten (Beispiel: MakerBot).

Hier nun zwölf Behauptungen aus dem Bereich 3D-Druck der letzten paar Jahre und realistische Einschätzungen dazu.

  1. In einigen Jahren werden wir alles zuhause selber ausdrucken können, von Ersatzteilen für die Waschmaschine über Spielzeug, von Geschirr bis zu Elektronikbauteilen und sogar komplette Mobiltelefone und Möbel. Man braucht nichts mehr einzukaufen bis auf das Grundmaterial. Wenn etwas fehlt, laden wir einfach die entsprechende Datei dazu herunter und drucken es selber aus.

    Dies ist natürlich absoluter Blödsinn.
    Aber sehen wir einmal die verschiedenen Sachen genauer an:
    Ersatzteile: In der Theorie wäre dies tatsächlich denkbar, wenn auch mit grossen Einschränkungen. Heutige (Heim-) 3D-Drucker können Bauteile mit bestenfalls gerade mal 20 x 20 x 20 cm Grösse mit verschiedenem Plastikmaterial, wie PLA und ABS, ausdrucken. Sowohl die beschränkte Grösse wie auch die Festigkeit und Massgenauigkeit der fertigen Bauteile verhindern eine breitere Anwendung in diesem Bereich. Zudem, welcher Hersteller wird schon fertige Konstruktionszeichnungen an Endkunden abgeben, selbst gegen Bezahlung? Damit wären ja Tür und Tor offen für Produktpiraterie. Und selbst wenn man die Zeichnung erhält, wer trägt die rechtliche Verantwortung für die Maschine mit einem selber zuhause produzierten Teil, wenn etwas schief läuft und es zu einem Unfall kommt? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wohl die wenigsten Anwender in der Lage sind, eine Waschmaschine zu zerlegen.
    Spielzeug: Die Oberflächen der gedruckten Teile sind nach wie vor – Prinzip bedingt – eher mässig. Die Qualität beispielsweise einfacher, in Massen hergestellter Produkte wie simple Lego Bausteine (übrigens auch aus ABS), sind um Welten höher und zudem viel günstiger. Die Massgenauigkeit ist auch hier ein weiteres Problem, wenn Teile zusammengefügt werden sollen.
    Geschirr: Besteht aus Steinzeug oder Porzellan und wird nach dem Brennen verglast.
    Der Herstellungsprozess ist aufwändig erfordert ein grosses Know-how, damit das fertige Geschirr die gewünschte Festigkeit erreicht. Heim 3D-Drucker werden wohl kaum je in der Lage sein, diesen Prozess durchzuführen. Und wozu auch? Geschirr kostet nicht alle Welt, es gibt Geschirr in allen möglichen Formen und Farben, wozu also selber ausdrucken?
    Elektronik und Mobiltelefone: Es gibt zwar Bestrebungen, Leiterplatten im 3D Verfahren herzustellen. Die Leiterbahnen sind aber derzeit um ein vielfaches breiter, die Toleranzen absolut ungenügend, die Leitfähigkeit schlecht und auch nur für simple Schaltungen geeignet, im Gegensatz zu professionell hergestellten Leiterplatten. Elektronikbauteile wie integrierte Schaltkreise werden wir nie zuhause herstellen können. Diese werden in Milliarden teuren Fabriken in Reinsträumen hergestellt. Bei dieser Herstellung geht es um einzelne Atome.
    Bei einem Mobiltelefon kommen zusätzlich ´zig Materialien zusammen, wie beispielsweise Glas. Uns bleibt einzig der Ausdruck einer mehr oder weniger ansprechenden Schutzhülle.
    Möbel: Wie soll dies je möglich sein? Dazu müssten wir einen ganzen Raum opfern, um beispielsweise einen Kleiderschrank herzustellen (oder einen halben Raum für einen 3D-Drucker in der Grösse um einen Stuhl zu drucken), und wer möchte schon Möbel aus Plastik? Abgesehen davon wäre allein der Rohstoff unbezahlbar, geschweige denn ein solcher Drucker. Nicht nur Grösse und Kosten dazu, es stellt sich vor allem die Frage wozu? Möbel wechselt man ja nicht allzu häufig.
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Die Innereien eines iPhone4: Niemals wird es möglich sein, so etwas zuhause zu produzieren.
Bild: wefixit

Fazit: Behauptung 1 ist völlig absurd und entpuppt sich als reine Science-Fiction
 

2. Jeder wird selber neue Objekte konstruieren können und gleich selber ausdrucken.

Die Einschränkungen beim „selber ausdrucken“ haben wir oben schon gesehen. Schauen wir uns einmal den ersten Teil dieser Behauptung an: neue Objekte konstruieren. Das hört sich ja ganz einfach an. Also kann ich mir eine Software auf meinem PC installieren und meine eigenen Teile konstruieren? Ja – in der Theorie schon. Aber diese Programme sind schwer erlernbar. Nicht umsonst gibt es dazu diverse Ausbildungen und Berufe. Selbst wenn man die Bedienung des Programms einmal erlernt hat, ist man noch lange kein Konstrukteur, Designer oder Architekt. Dazu braucht es sehr viel Fachwissen. Schon einfache Sachen wie ein 3mm Stift passt nicht in ein 3mm Loch dürften in der Bevölkerung wenig bekannt sein.

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Ein Teil in einem CAD Programm erstellt. Wer traut sich das zu? Bild: GlobalSpec

Fazit: Behauptung 2 wird sich nie bewahrheiten. Ebenso wenig wie ein Laserdrucker aus dem Besitzer einen Buchautor macht, macht ein 3D-Drucker aus dem Besitzer auch keinen Konstrukteur.

3. Die Produktion wird sich von China zurück in die westliche Welt verschieben, da die Produkte nun gleich vor Ort nach Bedarf produziert werden können.

Auch diese Behauptung ist weit weg von der Realität. Gewiss werden einige Produkte – vorwiegend im High-Tech Bereich – mit der 3D-Techologie erstellt werden. Diese Teile wurden aber jetzt schon in den entwickelten Industrienationen hergestellt. Die Massenproduktion ist derzeit noch massiv günstiger, und auch bedeutend schneller, bei konstant hoher Qualität. Dieser Markt hat China für sich gewonnen.

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4. Wir werden unser Essen in Zukunft mit dem 3D-Drucker „zubereiten“.

Das hört sich ja erstmal gut an, einfach in der Küche über einen Touchscreen oder einer App auf dem Mobiltelefon ein Menü auswählen, und der 3D-Drucker produziert ein leckeres Essen.
Was hier nicht passt ist die Tatsache, dass ein 3D-Drucker kein Essen produziert. Der Drucker kann lediglich vorab zugeführte Speisen – hier in Form von Pasten – aufeinander schichten. Dass dies zudem recht lange dauert, muss wohl nicht noch zusätzlich erwähnt werden. Weshalb sollte ich mir also so ein sperriges Möbel in die Küche stellen, verschiedene Pasten kaufen (lecker!) und einsetzen, um daraus eine Pizza zu drucken und dieses anschliessend im Ofen backen, wenn ich gleich in wenigen Minuten eine Tiefkühlpizza im Ofen aufheizen kann? Dass ich den 3D-Drucker anschliessend noch mühsam reinigen und die ganzen Pasten wieder luftdicht verschlossen im Kühlschrank versorgen muss spricht ebenso gegen diesen Ansatz wie auch das Verfalldatum der ganzen Zutaten.

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Foodini «druckt» Essen aus Tuben, backen muss man diese dann selber. Foto: Foodini

Fazit: Behauptung 4 ist einfach nur Quatsch. Es bringt schlichtweg keine Erleichterung, im Gegenteil: es dauert länger, macht mehr Dreck, ist schlechter im Geschmack… also wo soll da der Vorteil sein? So etwas braucht es ebenso wenig wie die Ende der 80er Jahre massenweise verkauften Brotbackautomaten, welche seither wohl grösstenteils in der hintersten Ecke des Küchenschrankes verstauben, so sie denn nicht schon entsorgt wurden.
 

5. Häuser werden in Zukunft mit riesigen 3D-Druckern komplett vor Ort nach individuellen Plänen hergestellt.

Es gibt einige Projekte, welche in diese Richtung gehen. Doch noch sind wir meilenweit davon entfernt. Ein chinesischer Hersteller, Winsun, behauptete, ganze Häuser ausdrucken zu können. Diese Mitteilung wurde durch alle Medien gejagt. In Wirklichkeit hat Winsun aber bloss einige Wände in einer Fabrikhalle mit einem 3D-Drucker erstellt, diese Wände anschliessend zur Baustelle transportiert und dort zusammengebaut. Diese als Fertigelement-Bauweise bekannte Methode ist nun weder bahnbrechend noch neu. Bisher wird auch nur der Mörtel (Beton) im 3D Verfahren eingebracht, also bloss die Hülle und ein paar Innenwände. Der komplette Innenausbau mit elektrischen Leitungen, Rohrleitungen, der Küche mit allen Geräten und Einbauschränke, die sanitären Installationen, Lampen, die Heizung, die Fenster und Türen mit den Zargen, die Isolation, die Bodenbeläge sowie der Verputz und einiges mehr muss nach wie vor manuell durchgeführt werden.

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Einzelne Elemente, und nicht ganze Häuser: Winsun

Fazit: Behauptung 5 ist massiv übertrieben. Auch wenn es möglich sein sollte, die Wände im 3D Verfahren zu erstellen, ist dies nur ein kleiner Teil das Hausbaus und entsprechend auch nur ein kleiner Teil der Kosten.
 

6. Kleider werden in Zukunft auf 3D-Druckern produziert (wobei in einigen Medien sogar noch „zuhause“ angeführt wurde). Wir alle werden dann massgeschneiderte Kleider haben.

Lassen wir mal das „zuhause“ weg, aus dem genannten Grund, dass die Drucker schlichtweg viel zu klein dazu sind. Wer will schon Plastikunterwäsche? Oder einen Pullover aus dicken Nylonfäden in Bienenwabenform zusammen gebraten? Massgeschneiderte Kleider gibt es, seit es Kleider gibt (und sind eigentlich erst seit der industriellen Revolution nicht mehr der Normalfall).
Wie soll das gehen? Ein Massband um den Bierbauch und die Zentimeter dann in einer App eingeben? Möglich, aber dazu braucht es keine 3D-Drucker. Abgesehen davon ist das schon heute möglich.

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Plastikschuh von Adidas aus dem 3D Drucker. Wird wohl auch Stoffeinlagen haben, ansonsten wäre das Teil wohl nicht tragbar… Bild: Adidas

Fazit: Auch Nummer 6 ist wieder eine Behauptung, welche völlig an der Realität vorbei geht.
Die Firma Footz, welche Schuhe nach Mass herstellen wollte, ist derzeit auch în der Versenkung…


7. 3D-Drucker werden die Umwelt retten. Durch die Herstellung der Produkte „vor Ort“ werden viele (lies: die meisten) Gütertransporte auf dem See-, Luft- und Strassenweg wegfallen. Es werden also digitale Dateien verschickt anstatt Produkte zu transportieren.


Die „Herstellung vor Ort“ wird sich kaum durchsetzen. Bezahlbare professionelle Drucker können nur einfache Teile herstellen, und dazu auch nur sehr langsam. Die Massenproduktion solcher Teile beispielsweise in China wird in absehbarer Zeit trotz Transport „um die halbe Welt“ massiv günstiger sein. Kompliziertere Teile benötigen dagegen sehr teure Drucker, so teuer, dass diese dann auch nicht „vor Ort“ stehen werden. Kommt noch dazu, dass viele Teile eine Nachbearbeitung benötigen, wie Oberflächenbehandlung etc. Da lohnt es sich einfach nicht, viele lokale Bearbeitungszentren zu betreiben.

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Können 3D-Drucker die Wohnsituationen in Entwicklungsländern retten? Bild: http://www.ecowoman.de

Fazit: Der 3D-Druck ist noch lange nicht dazu fähig, grössere Mengen eines Artikels schnell und kostengünstig herzustellen. Es sind erst einige Anzeichen dazu im Hochpreissegment vorhanden. Ich bezweifle, dass wir in naher Zukunft eine Umlagerung der Produktion weg von China sehen werden, falls überhaupt.
 

8. Ein mit 3D Drucker produziertes Teil braucht viel weniger Rohmaterial als ein konventionell hergestelltes Teil, und kann bei gleicher Robustheit viel weniger Gewicht haben. Davon profitieren auch Fluggesellschaften in Form von massiven Treibstoffeinsparungen.

Zugegeben, nicht alles in dieser Behauptung ist realitätsfremd, aber doch einiges. Bei dieser Behauptung wird davon ausgegangen, dass ein Produkt, im herkömmlichen Verfahren produziert, viel Material „verschwendet“, weil das Teil quasi aus einem Block herausgefräst wird. Vielfach landen bei Kleinserien diese Fräsrückstände einfach im Altmetall, und müssen wieder aufwändig separiert und aufbereitet werden. In der Massenproduktion ist dies nicht so, hier wird das Restmaterial sofort Artenrein getrennt und gleich der Aufbereitung zugeführt.
Was auch gerne vergessen wird: Viele Gegenstände werden heute aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, wie beispielsweise Möbel aus Holz. Das ist beim 3D-Druck nicht möglich, am ehesten vielleicht noch mit PLA, welches aus Maisstärke hergestellt wird. Aber wer möchte schon einen Kleiderschrank aufs Plastik?
Es ist hingegen tatsächlich so, dass heute schon spezielle Bauteile für Flugzeuge im 3D Verfahren erstellt werden, viel leichter sind und weniger Rohmaterial benötigen. Dies sind aber derzeit Spezialfälle, welche auf extrem teuren Geräten hergestellt werden und ganz spezielle Abnahmen und Materialkontrollen benötigen.
Korrekt ist auch, dass der 3D-Druck neue Formen und Konstruktionen erlaubt, welche mit anderen Herstellungsverfahren nicht möglich waren. So kann ein Teil beispielsweise hohl sein oder innen eine Gitterstruktur besitzen. Ausserdem ist es möglich, Teile innerhalb anderer Teile in einem einzigen Prozess herzustellen.

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Beim CNC Fräser wird Material aus einem ganzen Werkstück abgetragen. Bild: unbekannt (Forum: www.muffel-forum.de)

Fazit: Es geht sicher in diese Richtung. Noch ist die Herstellung im 3D-Verfahren jedoch auf Prototypen und Kleinserien begrenzt.
 

9. Organspender wird es in Zukunft nicht mehr benötigen. Organe und (menschliche) Körperteile werden auf 3D-Druckern „erstellt“.

So schön sich dies anhört, quasi ein unendliches Ersatzteillager für Lebewesen zu haben, so weit sind wir auch davon entfernt. Auch wenn in ganz winzig kleinem Massstab einige Experimente mit mässigem Erfolg durchgeführt wurden, wir sind erst ganz am Anfang. Nicht nur bei den 3D-Druckern dazu, sondern und vor allem auch in der Forschung zum eigentlichem Endprodukt und der Herstellung des Ausgangsmaterials.

Fazit: Behauptung 9 ist reine Utopie
 

10. Selber zuhause produzierte Teile schonen die Umwelt. Es braucht weniger Energie und weniger Rohstoff.

Dies stimmt so – zumindest derzeit – nicht. Jeder der zuhause einen 3D-Drucker hat, weiss, dass es häufig mehrere Versuche braucht, bis das Teil korrekt gedruckt wurde. Die fehlerhaften Plastikteile landen dann meist im Haushaltsmüll.
Davon abgesehen braucht eine Maschine, welche 20 Stunden für die Herstellung eines Teils braucht und dabei die ganze Zeit über zwei oder drei Heizungen benötigt, eine nicht unerhebliche Menge elektrischer Energie.

Fazit: Mit dem heutigen Verfahren (FDM) stimmt diese Behauptung nicht.
 

11. Mit 3D-Druckern kann die Industrie schneller produzieren.

Hier wird etwas durcheinander gebracht. Durch die Möglichkeit, ein mehr oder weniger funktionsfähiges Muster rasch herstellen zu können, verringert sich die Entwicklungszeit. Es besteht aber auch die Gefahr, dass sich die Konstrukteure weniger Gedanken machen, bevor ein Modell erstellt wird, weil ja ganz schnell ein neues, optimiertes Modell erstellt werden kann und sich so «verzetteln». Gleiches ist ja auch bei der Umstellung von der Schreibmaschine auf den Computer passiert: Bei der Schreibmaschine wurde peinlich genau jeder Buchstabe getippt, damit das Schreiben auch passte. Mit dem Computer wird einfach «wild drauf los» getippt und dann ausgedruckt – man kann ja ganz einfach korrigieren und noch mal ausdrucken….

Fazit: Die Industrie kann nicht schneller produzieren, sie kann schneller ein Produkt von der Idee bis zur Serienreife entwickeln. Dabei dürfen grundsätzliche Überlegungen aber nicht ausser Acht gelassen werden.
 

12. Terroristen und andere Kriminelle können sich nun eine Schusswaffe herstellen, welche zudem schwer aufzuspüren ist, da aus Plastik.

Es gab und gibt tatsächlich Baupläne für Schusswaffen für den 3D-Drucker. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Viele dieser Baupläne verwenden normale, industriell gefertigte Metallteile vorhandener Waffen wie beispielsweise den Lauf oder den Schlagbolzen, welche leider (in der USA) ohne Waffenschein als Ersatzteile gekauft werden können, und ergänzen diese Teile mit 3D gedruckten Teilen der Waffe, welche nicht ohne Waffenschein erhältlich sind, namentlich die Abzugsvorrichtung. Diese Teile können relativ einfach 3D gedruckt werden, da hier keine grossen Kräfte auftreten. Die Waffen sind aber nach wie vor mit Metalldetektoren auffindbar. Und obwohl einmal eine komplett 3D gedruckte Handfeuerwaffe aus Kunststoff hergestellt wurde, hält diese wohl kaum mehr als ein-zwei Schüsse durch, sofern sie nicht gleich beim ersten Schuss explodiert.

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3D gedruckte Handfeuerwaffe. Wer traut sich, damit abzudrücken? Bild: Wikipedia

Fazit: Diese Behauptung ist sicher nicht ganz abwegig, die Entwicklung muss im Auge behalten werden. Was man hier allerdings nicht vergessen sollte: Waffen selber herzustellen ist schon lange möglich, auch für Private in der Garage. CNC Fräsmaschinen und Drehmaschinen für den Hobby Bereich, welche schon Jahre vor den 3D-Druckern erhältlich waren, kosten auch nicht mehr als ein 3D-Drucker und können auch Kunststoff-Teile bearbeiten.

Zusammenfassung

Nur Aufgrund des Herstellungsverfahrens (Objekte in Schichten aufzubauen, auch (englisch) additive manufacturing genannt) auf die Anwendungsmöglichkeiten und zukünftige Entwicklungen zu schliessen, ist zu kurz gefasst. Zuerst müssen noch viele andere Technologien entwickelt werden, um diese Anwendungen zu erschliessen, vor allem beim verwendeten Material.
Der 3D-Druck macht Fortschritte und es werden laufend weitere Einsatzgebiete erforscht. Die Fortschritte kommen aber in kleinen Schritten. Eine sämtliche Materialien schnell druckende Maschine, womöglich noch für den Heimgebrauch, ist derzeit ganz einfach noch ein Wunschtraum.

Leider wurden in der Vergangenheit viele Käufer namentlich von Heimgeräten durch solche Behauptungen  und absurden Versprechen der Hersteller getäuscht und waren vom Produkt anschliessend völlig enttäuscht. Wir befinden uns nun glücklicherweise in einer Phase, wo realistische Aussagen gemacht werden können.

Nachdem ich bisher vielleicht den Anschein erweckt habe, dass ich nicht an die Zukunft des 3D Drucks glaube, ist das pure Gegenteil wahr. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft einige bahnbrechende Entwicklungen in diesem Bereich sehen werden. Wir sollten aber auf dem Boden der Realität bleiben und uns Schrittweise an der Verbesserung dieser Technik machen, anstatt von irgendwelchen Hirngespinsten zu träumen.

Man kann mir auch vorwerfen, dass ich kein Visionär bin, die enormen Fortschritte in der Entwicklung neuer Technologien und Methoden verkenne oder einfach zu pessimistisch bin.
Letzteres bin ich definitiv nicht. Wir sollten aber – trotz aller Euphorie – realistisch bleiben.

3D-Drucker für den Privatgebrauch sind wunderbare Maschinen. Nicht mehr und nicht nicht weniger. Es sind Werkzeuge wie andere auch, und haben derzeit noch ihre Macken (und davon nicht wenige!). Wenn man sich intensiv mit dieser Technik beschäftigt, kann man fantastisch tolle Teile erstellen!

Ausblick auf die Zukunft

Wie immer ist es sehr schwierig, die Zukunft vorauszusehen.

Wer erinnert sich noch an solche Aussagen:

bullet„Mehr als 640 Kilobyte Speicher werden Sie niemals benötigen.“
(Bill Gates über den Arbeitsspeicher im PC, 1981, ist allerdings nicht gesichert).
Heute sind 16GB Arbeitsspeicher nicht unüblich, also das 25‘000-fache.
 
bullet„Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“
(T. Watson, CEO von IBM, 1943)
 
bullet„Es gibt keinen Grund, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.“
(K. Olsen, Präsident von DEC, 1977)
 
bullet„E-Mail ist ein Produkt, das sich einfach nicht verkaufen lässt.“
(Ian Sharp, 1979)
 
bullet„In zwei Jahren wird das SPAM-Problem gelöst sein.“
(Bill Gates, 2004)
 
bullet„Die Intel 386er CPU hat eine so geballte Rechenleistung, dass die CPU technisch-wissenschaftlichen Anwendung vorbehalten sein wird. Eine solche Rechenleistung werden wir in Heim-PC nie benötigen.“
(Technische Rundschau, kurz nach dem Verkaufsstart der 386er Prozessoren)

Wir wissen nun, dass diese Vorhersagen komplett falsch waren.
Allerdings – im damaligen Kontext machten einige dieser Aussagen durchaus Sinn.
Als Beispiel die Aussage: «Es gibt keinen Grund, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.»
Diese Aussage war damals absolut korrekt, da es dazumal schlichtweg keine Anwendung dafür gab.

Aber wie wollen wir den die Zukunft (bei 3D-Druckern) vorhersagen – oder zumindest mögliche Entwicklungen voraussagen?
Hier helfen uns Analogien aus der Vergangenheit. Gehen wir zuerst auf die Heimgeräte ein. Diese meist nur mit einem oder zwei Extrudern/Hotends (Druckköpfen) ausgestatteten Geräte tragen Schicht für Schicht eines Kunststoffes auf, indem der Druckkopf einer vom Computer berechneten Bahn folgt. Dieser Prozess dauert naturgemäss sehr lange und ist recht ungenau (Toleranzen von Löchern als Beispiel), was auch mit dem recht grossen Durchmesser der Druckdüse von meist 0.4 oder 0.5mm zu tun hat. Der Düsendurchmesser kann wohl verkleinert werden, was dann aber massiv auf Kosten der Geschwindigkeit geht. Der Druckprozess lässt sich auch nicht beliebig beschleunigen, da einerseits die Masse (Druckkopf oder Druckbett) beschleunigt werden muss, und andererseits das Material eine gewisse Zeit braucht, um auf die Drucktemperatur aufgeheizt zu werden und am Objekt wieder abzukühlen.

Ein ähnliches Gerät gab es schon früher im 2D-Druckbereich und nannte sich Stiftplotter. Bei diesem wurde ein Tuschstift ebenfalls in der X- und Y-Achse über Papier oder Folie bewegt, um eine Zeichnung herzustellen. Die Geräte waren im Maschinenbau und der Architektur weit verbreitet und unverzichtbar. Und wie die heutigen 3D Drucker waren diese Geräte ebenfalls recht unzuverlässig. Wenn nach 2 Stunden Druck die Tusche ausging oder der Stift „verhockt“ war, musste der Druck von vorne wieder begonnen werden. Die Tuschstifte mussten regelmässig gereinigt und vor jedem Druck auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Diese Technik wurde erst durch das Aufkommen der Tintenstrahldrucker abgelöst, welche wesentlich schneller und zuverlässiger funktionierten.

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Stiftplotter aus den 90er Jahren. Bild: Wikipedia

Erste Anzeichen hierzu sind auch im 3D Bereich vorhanden, als Beispiel kann hier der HP Multi Jet 3D Drucker genannt werden, welcher mit einer riesigen Anzahl Düsen ein Pulver aufbringt und anschliessend verfestigt. Diese sind aber derzeit wohl im Bereich um 250’000.- Fr angesiedelt und benötigen die Stellfläche einer Kücheninsel. Bei den Stiftplottern hat es Jahrzehnte gedauert, bis die neue Technologie reif war und sie schlussendlich vom Markt verdrängt wurden. Es ist kaum vorstellbar, dass sich dies bei den 3D Druckern anders verhalten wird.

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HP Multi Jet 3D-Drucker. Bild: HP

Eine Art 3D „Tintenstrahldrucker“ für unterschiedliche Materialien wie Kunststoffe und Metalle ist in Zukunft nicht nur denkbar, sondern auch wahrscheinlich. Bis sich solche Geräte im Heimbereich durchsetzen wird es wohl noch 10 bis 20 Jahre dauern (wohl eher bei 20). Erst mit solchen Geräten wird der 3D-Druck zuhause schnell, präzis und zuverlässig möglich werden. Leider haben sich viele der grossen Hersteller aber vom Heim- und Semiprofessionellen Bereich verabschiedet, so dass die Entwicklung hier eher mässig voranschreiten wird.

Im professionellen Bereich wird die Entwicklung schneller fortschreiten. Dies hat mehrere Gründe. Einerseits ist Marge hier ungleich höher als bei den Heimgeräten. Die Industrie ist bereit, sehr viel Geld für solche Geräte auszugeben, um der Konkurrenz bei der Produktentwicklung zuvor zu kommen. Andererseits ist hier ein konstanter Bedarf nach immer schnelleren und besseren Geräten vorhanden, während der Heimsektor eher am Abflauen ist (wesentlicher Grund sind die nicht eingetroffenen Behauptungen 1 und 2). Bekannte 3D Hersteller der ersten Stunde (Stratasys, 3D Systems) haben den Heimsektor entweder komplett aufgegeben oder massiv heruntergefahren.

Machen wir den gleichen Fehler nicht noch mal: Meldungen von Erfolgen im Profisegment können nicht einfach auf den Heimbereich übertragen werden.